Kommt es zum Zusammenbruch unserer Hochkultur? Ja oder nein?

 

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Ugo Bardi beschäftigt sich in seiner lesenswerten Veröffentlichung „Der Seneca-Effekt Warum Systeme kollabieren und wie wir damit umgehen können“ ausgehend vom Untergang des Römischen Reichs mit der Charakteristik von Zusammenbrüchen.

 

Der Zusammenbruch lässt sich der Erfolgsbedingung  „Wandel“ zuordnen (gemäß dem Video zu unserer Frage, ob die Menschheit gerade aus dem System rausreguliert wird). Ohne Zusammenbruch kein Wandel. So wie man den Wandel nicht aushebeln oder stoppen kann, so kann man auch den Zusammenbruch nicht verhindern. Was in unserer Macht liegt, ist durch eine strategische Vorbereitung von Alternativen, der Katastrophe die einem Zusammenbruch innewohnen kann, zu entgehen. Je nachdem wann wir unsere Bemühungen dazu starten, können wir ihn stärker oder weniger stark abfedern. Das kann man auf unser Ökosystem beziehen, wo wir in einem Wettlauf mit der Zeit stehen, erneuerbare Energien flächendeckend zu garantieren bevor die Fossil-Industrie kollabiert oder auf das Weltwirtschaftssystem oder auf uns selbst. Der Zusammenbruch eines jeden Menschen ist der eigene Tod. Wie gut oder schlecht wir den unausweichlichen Moment des Sterbens annehmen können, wird stark damit im Zusammenhang stehen, was wir in der Zeit, in der wir unsere volle Energie noch abrufen konnten, getan (gelebt) haben.

 

Bevor man Ideen entwickelt wie man einen Zusammenbruch abfedert, macht es Sinn sich erst damit zu beschäftigen wie ein Zusammenbruch abläuft.

 

Edward Gibbon veröffentlichte im Jahre 1776 seine Annahme, dass das Römische Reich zerbrach, weil das Militär, durch das Christentum bedingt, eine Talfahrt erlitt. Alexander Demandt veröffentlichte 1984 hingegen direkt 210 Annahmen, warum das Römische Reich zerbrach.

 

Ugo Bardi nähert sich in seiner Veröffentlichung dem Zusammenbruch der Römer durch die Frage: „Welcher Einfluss war stark genug, um die Anpassungsfähigkeit des Systems außer Kraft zu setzen?“ Dass Alexander Demandt derart viele Annahmen ins Spiel gebracht hat, zeigt vor allem, dass in komplexen Systemen viele Komponenten wirken und meist so weit- und tiefverzweigt sind, dass es nicht zwingend offensichtlich ist, was zum Zusammenbruch führte, bzw. führen kann. Die hohe Komplexität begünstigt es, dass eine kleine Ursache eine große Wirkung entfalten kann und sich sogar noch selbstverstärkt. In Ägypten drückt man dieses Phänomen mit einen Sprichwort aus, dass ein Kamel unter der Last eines Strohhalms zusammenbricht.

 

Bardi vermutet, dass „der Strohhalm“ der das Römische Reich zusammenbrechen ließ, der „ausufernde“ Wunsch nach Seide war. Wer es damals nicht selber verstand wie man Seide produzieren konnte, kaufte diese bei den Chinesen. Dazu benötigte man Gold und Silber. Beim Abbau/Produktion von Gold und Silber geriet das Römische Reich aber irgendwann an den Punkt, an dem die Kosten für deren Gewinnung teurer wurden als deren Marktwert.

 

Komplexe Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen hohen Energiebedarf haben. Und unter Energie versteht man hierbei auch Lebensmittel für die Bevölkerung. Braucht man zum Funktionieren eines komplexen Systems die Arbeitskraft vieler Menschen, müssen ausreichend Lebensmittel zur Verfügung stehen. Dabei muss man wie bei allen komplexen Systemen den EROI (Energy Return on Energy Invested) mindestens im Gleichgewicht halten und wirklich strategisch ist es natürlich nur wenn der Invest (Zuführung von Energie „Lebensmittel“) niedriger ist als der Return (Ergebnis der Energiezufuhr „Arbeitskraft“).

 

Entwickelt sich der EROI negativ, also es wird mehr Invest gebraucht als Return zu erreichen ist, kollabiert das System. Im Falle der Römer gab es noch Gold und Silber in den Minen, aber die Kosten für die Gewinnung von Gold und Silber stand nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen. Wir müssen dafür auch gar nicht bis zur Zeit des Römischen Reichs zurück gehen, auch wir kennen dieses Problem u. a. aus dem Kohlebergbau.

 

Dass die Hochkulturen vor uns zusammenbrachen, könnte damit zusammenhängen wie Menschen auf unausweichliche Ereignisse reagieren. Dafür muss man noch nicht mal auf die Bühne der Weltgeschichte schauen, auch hier reicht es auf den Umgang mit dem eigenen Sterben und den eigenen Tod zu schauen. Ignorieren/Ausblenden ist eine sehr häufige Reaktion oft damit verbunden viel Energie in Dinge zu investieren, die das Ignorieren erleichtern wie z. B. in das krampfhafte Festhalten am aktuellen Zustand –kaum jemand will altern, geschweige denn alt sein. Das Ganze wirkt ein bisschen verrückt, da der Status Quo sich nicht mal für eine Nanosekunde aufrechterhalten lässt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sich für den einzelnen wohl nichts so wirklich Attraktives glaubhaft darstellen lässt, was nach dem Tod auf uns warten sollte, macht diese Verhaltensweise verständlich.

 

Es ist nachvollziehbar, dass wir dieses Verhalten bei allen Zusammenbrüchen zeigen. Allerdings lässt sich bezogen auf andere Zusammenbrüche feststellen, dass es durchaus attraktive Alternativen gibt. Es fällt uns schwer, die Einstellung zu gewinnen, dass in einem Zusammenbruch auch eine große Chance liegt in einen ähnlich guten oder besseren Zustand zu kommen. Und weil das so ist, neigt man sowohl im Kleinen als auch im Weltgeschehen eher dazu mehr in den Ausbau von Steuerungsstrukturen zu investieren, um einen vermeintlichen Status Quo zu erhalten. Im Grunde erhöht man dadurch aber nur die Komplexität und die Anfälligkeit des Systems und trägt ggf. sogar noch zur Beschleunigung des Zusammenbruchs bei. Komplexe Systeme zerbrechen auch komplex, es kommt zu so vielen Rückkopplungen, dass man kaum noch zurück verfolgen kann, was letztlich der Hauptauslöser des Zusammenbruchs war. Ein Ausbau der Steuerungsstruktur hat zur Folge, dass die Kosten steigen und im schlimmsten Fall alle Geldreserven zur Aufrechterhaltung der Steuerungsstruktur verschlungen sind. Das System kollabiert und man startet bei Null.

 

Bardi zieht in seiner Veröffentlichung auch Materialzusammenbrüche als Erklärung für das Erkennen und Wirken von Zusammenbrüchen heran. In starren Formen beginnt es mit einem Riss dessen Verlauf im Zusammenbruch endet. Bis zu einem vorher schlecht festzulegenden Punkt funktioniert das System mit dem Riss genauso wie ohne den Riss. In dem Moment, in dem der Riss allerdings einen Kipppunkt erreicht, ereignet sich der Zusammenbruch ohne weitere Vorankündigung rasend schnell. Man darf den Riss nicht unbeobachtet lassen, noch besser ist es natürlich erst gar keinen Riss entstehen zu lassen.

 

Für das Verstehen des Zusammenbruchs lohnt es ich auch einmal auf Naturphänomene zu schauen. Uns liegt mittlerweile ein umfassendes Datenwerk, z. B. zu Erdbeben und Lawinen vor und doch sind wir trotz Computersimulationen (noch) nicht in der Lage zu bestimmen, wann die „schnelle“ Phase einer Lawine oder eines Erdbebens (der Zusammenbruch) eintritt. Bardi erklärt Lawinen wie folgt: „Es handelt sich um kollektive Phänomene, eingebettet in ein Netz von Elementen, die miteinander interagieren.“ Wir verstehen heute wo Erdbeben und Lawinen zu erwarten sind, wir können uns die Kettenreaktion erklären, die bei Ausbruch des Erdbebens bzw. der Lawine beginnt, aber ansonsten bleibt uns bisher nur die Katastrophe abzuwarten. Wir können die Katastrophe nicht abwenden, aber wir können vorbereitet sein. Wir wissen heutzutage wie man erdbebensicher baut. Ein Dorf erdbebensicher umzurüsten ist teuer, würde aber die tragischen Ausmaße nach einem starken Erdbeben drastisch minimieren.

 

Erdbeben und Lawinen sind noch relativ einfach zu erfassende Systeme und trotzdem können wir den Zusammenbruch nicht exakt vorhersagen. Bei Unternehmen und Gesellschaften, die weitaus komplexer sind, ist die Herausforderung noch erheblich höher. Da stellt man sich am besten ein Team der besten Schachspieler der Welt zusammen, um alle sich bedingenden Stränge zu erfassen. Und selbst das ist keine Garantie, dass man den Riss früh genug entdecken, bzw. als Riss verstehen würde. Eine große Datenlage ist hilfreich, kann aber trotzdem zu Fehlinterpretationen führen. Welcher katholische Geistliche, dem Papst eingeschlossen hätte um 1500 gedacht, dass einmal das Begehren eines einzigen Mannes dazu führen könnte, dass die katholische Kirche in einem einflussreichen Land komplett ihre Vormachtstellung verlieren könnte? Aber so geschah es durch Heinrich VIII. ausgelöst durch Anne Boleyn. Oder wer hätte gedacht, dass der Hambacher Forst einmal besetzt würde, um der weiteren Rodung Einhalt zu gebieten, wo es doch vor wenigen Jahren noch reichte lediglich eine Entschädigung zu zahlen, um ganze Dörfer für den Braunkohleabbau verschwinden zu lassen?

 

In den meisten Fällen gehen Signale voraus an denen man erkennen könnte, dass Handlungsbedarf besteht. Aber nicht nur das …

 

Bardi, S. 245: „Sobald ein Unternehmen oder eine Gesellschaft in Schwierigkeiten gerät, reagieren Manager oder Politiker in der Regel gerade NICHT damit, die Diversität zu fördern. Unternehmen kürzen die Mittel für Forschung und Entwicklung und kappen alle Produktlinien, die nicht höchste Profite einbringen. Gesellschaften schotten sich gegen Einwanderung ab oder löschen im Extremfall ihre ethnischen Minderheiten aus. Regierungen unterdrücken Widerstand und setzen auf eine einfache, strikte Ideologie. Nichts von alledem stärkt die Resilienz, vielmehr machen solche Maßnahmen das System nur starrer und erhöhen die Gefahr eines abrupten Zusammenbruchs. Nichts kann fataler wirken wie Hebel, die in eine falsche Richtung umgelegt werden.“

 

Zusammenbruch ist eine Systembedingung, somit macht es keinen Sinn dagegen anzukämpfen, aber vorbereiten kann man sich. Wir sind also nicht hilflos ausgeliefert! Wichtig ist, dass man diese Vorbereitungen so frühzeitig beginnt, dass man dafür auch noch die nötige Energie (Mittel) zur Verfügung hat, bevor der Zusammenbruch ansteht. Dazu macht es natürlich Sinn Signale wahrzunehmen, zu verstehen und ernst zu nehmen, um Lösungen noch zu finden bevor sie gebraucht werden. Bei einer Neuausrichtung sollte man im Hinterkopf behalten, dass eine hohe Anpassungsfähigkeit an Störungen, der beste Schutz vor Störungen ist. Der biegsame Bambus schafft es von sich aus nach einem Sturm wieder in seine Ausgangsposition zurück zu schwingen, die starre Eiche, die im Sturm in der Mitte durchbricht, kann selbst mit Hilfe von außen kaum in ihre Ausgangsposition zurück gebracht werden.

 

Ein bisschen Sorgen bei einem möglichen Zusammenbruch unserer Hochkultur macht mir, dass bei den damaligen Hochkulturen, die wirtschaftliche Vernetzung nicht so intensiv war wie in unserer heutigen globalisierten Welt. Wann wird diese „Lawine“ dann zum Auslaufen kommen? Erst wenn überall alles auf Null ist? …

  

Noch habe ich die Hoffnung, dass wir den Zusammenbruch abwenden.

 

Bei weitergehendem Interesse zum Buch von Ugo Bardi findet man hier einen Auszug zu seiner Feststellung, dass reich zu sein dem Zufall entspringt.

 

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